FANTASY CHAPTER CHALLENGE

D. Werwolfsnacht
»Ich bin übrigens Csilla«, stellte sie sich vor und lächelte ihn mit großen Augen an. »Du bist ein Werwolf, richtig?«
Er kratzte sich den Hinterkopf.
»Ja, ich bin ein Werwolf. Dritte Generation.«
»Wow!«, sagte sie mit einem Leuchten in den Augen, »Das ist so cool! Ich habe da einen Blick für, weißt du? Und wie ist das so als Werwolf?«
Adrian lotste Csilla über die Treppen in das untere Stockwerk. Ihm wurde schwindelig von ihrem Duft und ihren Fragen. Seine Wolfsinne erwachten und richteten sich komplett auf sie und die Umgebung trat in den Hintergrund. Dafür nahm er Gerüche stärker wahr und hörte besser. In seiner Brust dehnten sich Hitze und Schmerz zu gleichen Anteilen aus.
»Wir kommen in der Nähe der Umkleiden raus«, sagte er heiser, »Wir müssen vorsichtig sein.«
Sie nickte ihm aufgeregt zu. Für sie war dies ein Abenteuer, allerdings stand für sie auch nichts auf dem Spiel. Er riskierte seinen Job. Ihre Hand krallte sich in seinen Unterarm. Adrian starrte darauf, verwundert und überrascht, aber dann lächelte er. Es fühlte sich gut an, wie sie an seiner Seite mehr hüpfte als lief, und ihm gefiel ihre Berührung.
Er hielt ihr die Tür auf, und sie schlüpfte dicht an ihm vorbei mit ihrem Duft, der seinem Wolf ein tiefes Grollen entlockte, von dem er nicht vermutet hatte, dass er das konnte. Sie bewegte sich elegant wie eine Tänzerin, und in ihren Augen blitzten Sternchen auf. Sie lächelte, als sie seinen Blick auffing, und biss sich verführerisch auf die Lippe. Adrian blickte hilflos in eine andere Richtung und widerstand dem Impuls, den Arm um sie zu legen. Er kannte diese Art von Empfindungen nur aus Erzählungen. Seine Wangen wurden heiß, und er war dankbar für das funzelige Licht, das seine Scham verbarg. Als er sie wieder ansah, ruhte ihr Blick immer noch auf ihm. Er schluckte. Er hatte zwar keine Erklärung, aber sie schien ihn zu mögen. Verlegen lächelte er sie an, was ihre Augen dazu brachte, noch mehr zu strahlen.
Der Lärm der Vorkämpfe drang dumpf zu ihnen. Von der Arena trennten sie nur noch zwei Flure und zwei Türen. Adrian hörte noch etwas anderes; Schritte näherten sich in ihre Richtung! Er blieb stehen, lauschte und erkannte Jeans Stimme. Er kam direkt auf sie zu! Er fluchte, griff Csillas Arm und bugsierte sie kurzerhand durch die nächste Tür.
Es war Léons Umkleide. Der stand vor den Postern von Cindy Crawford und Jane Fonda und war dabei, seine Handgelenke zu bandagieren. Ungläubig starrte er von Adrian zu Csilla und zurück und hob eine Augenbraue. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Na, da brauche ich sie dir nicht mehr vorzustellen, hm?«
Adrian verdrehte die Augen.
»Kannst du uns verstecken?«
»Ich hab schon von der flüchtigen Prinzessin gehört«, er zwinkerte ihr zu und machte eine Kopfbewegung zur Dusche nebenan.
»Von mir erfährt niemand was. Adrian? Ich erwarte einen vollständigen Bericht!«
Adrian verdrehte die Augen und schob sie an ihm vorbei in das angrenzende Badezimmer. Kaum schloss sich die Tür hinter ihnen, hörte er, wie nebenan Jean mit den Sicherheitsleuten hereinkam.
»Hast du Csilla Bethlen gesehen?«, fragte er. »Nein«, sagte Léon.
»Wenn du was damit zu tun hast...«, knurrte Jean. »Was dann?«
Adrian stellte sich vor, wie die beiden Brust an Brust voreinander standen und sich finster anstarrten. Sie waren keine Freunde, und das nicht nur, weil sie um den Titel kämpften. Was zwischen ihnen vorgefallen war, wusste Adrian nicht. Es schien in einer Sache begründet zu sein, die länger zurücklag.
Adrian hörte, wie Jean durch Léons Kabine schlich und schnüffelte. Ihm brach der Schweiß aus und er fluchte innerlich – Jean würde ihn riechen können! Und Csilla auch. Verdammt! Sie rückte näher an ihn heran und legte ihre Arme um seinen Hals. Ihr Körper schmiegte sich warm und weich an seinen. Amüsement zuckte um ihre Augen.
»Ich mag deinen Geruch«, flüsterte sie.
Adrians Herz setzte fast aus. Schritte näherten sich der Dusche. Sein Puls legte den Turbo ein, seine Organe zerrten in verschiedene Richtungen, und ein Schmerz zog senkrecht durch seinen Unterleib wie eine glühende Kette. Seine Verwandlung stand kurz bevor. Er trat von der Tür zurück, wodurch Csilla ihr Gleichgewicht verlor und gegen ihn stolperte. Adrian fing sie auf und hielt sie fest umklammert, bis sie Tamás Bethlens Stimme hörten.
»Komm, Jean, ihr seid gleich dran. Léon.«
Der Raum nebenan leerte sich, doch Adrian und Csilla blieben in ihrer Umklammerung mit angehaltenem Atem eingefroren, bis Léon die Tür öffnete und sie beide vielsagend angrinste. Angesichts ihrer Lage pfiff Léon, als hätte er sie in flagranti erwischt. Seine Augen blitzten auf, und er rieb sich amüsiert das Kinn. Adrians Gesichtshaut färbte sich tiefrot, was, wie er hoffte, in dem schwachen Licht nicht zu sehen war.
»Ihr verschwindet jetzt wohl besser.«
»Danke, Léon. Viel Glück für den Kampf!«
Er wollte an Léon vorbei, doch er versperrte ihnen kopfschüttelnd den Weg.
»So kannst du nicht gehen!«
Er zog einen Anzug und ein dunkelrotes Hemd aus seinem Schrank und reichte ihn Adrian.
»Du willst die Dame ja wohl nicht im Blaumann zum Kampf des Jahres 1986 ausführen.«
Adrian sah an sich herunter. Csilla hatte den Anzug bereits entgegengenommen und hielt ihn an.
»Er hat Recht! Los, zieh ihn an!«
Er sah sich nach einer Möglichkeit um, sich allein umzuziehen, doch Léon knöpfte seinen Blaumann bereits mit einem breiten Grinsen auf und streifte ihn über seine Schultern.
»Das ist hier ne Umkleide, Kleiner.«
Léon kicherte und postierte ihn frontal zu Csilla, die ihm ein süffisantes Lächeln schenkte. Er wurde bis über beide Ohren rot. Er trug nur eine Unterhose und Socken unter seinem Blaumann, weil es in der Wäscherei so warm war, und stand praktisch nackt vor ihr. Zum Glück, dachte er, hatte er am Morgen wenigstens eine frische Unterhose angezogen.
Aus dem Leuchten ihrer Augen und ihrem beschleunigten Herzschlag, der seinen Wolfsinnen keineswegs entging, folgerte er, dass ihr gefiel, was sie sah. Erklären konnte er es sich nicht. Er zog sich unbeholfen Hemd, Hose und Anzugjacke an. Sie saßen ganz gut, stellte er mit einem Blick in den Spiegel, der zwischen Cindy Crawford und Jane Fonda hing, erstaunt fest.
Im ersten Moment erkannte er sich nicht wieder. Er richtete sich gerade auf und lächelte. War er gewachsen? Der Anzug betonte seine schlanke Figur und zauberte ihm breitere Schultern, ohne dass es unecht aussah. Er strich seine dichten Haare nach hinten, erfolglos, denn sie fielen ihm direkt wieder in die Stirn. Sein Blick traf Léons, der zufrieden nickte. Csilla kam auf ihn zu, um die Fliege zu richten. Dabei schenkte sie ihm ein Lächeln mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen.
»Was für ein attraktiver Mann unter diesem neckischen Einteiler steckt«, flüsterte sie und zwinkerte ihm zu. »Ich würde zu gern mal deinen Wolf sehen!«
Sie strich seine Haare aus der Stirn und lächelte. Adrian schluckte und blickte hilfesuchend zu Léon, der nur mühsam einen Lachanfall unterdrückte und sie hinaus auf den Flur schob.
»Entspann dich, Adrian«, flüsterte Csilla. Sie hatte sich bei ihm eingehakt, »Du lenkst nur die Aufmerksamkeit auf uns.«
Sie lächelte, reckte sich hoch und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Du bist echt süß«, sagte sie und löste damit einen weiteren Schweißausbruch bei ihm aus. Er unterdrückte nur mühsam ein Knurren.
»Wie ist das eigentlich, wenn du dich in einen Wolf verwandelst?«, fragte sie. »Wie meinst du das?«
»Na, wie sich das anfühlt! Tut es weh? Welche Farbe hat dein Fell?«
»Äh...«
Sie kicherte.
»Mir ist noch nie ein so schüchterner Werwolf begegnet! Hast du eigentlich eine Freundin?«
Adrian wurde schwindelig von ihrem Duft und ihrem Kuss, der auf seiner Wange glühte wie ein Brandmal. Er wusste nicht, welcher Frage er zuerst ausweichen sollte. Sein Wolf war das ungebetene Erbe eines Vaters, den er nie kennengelernt hatte. Er sprach nie darüber, geschweige denn über seinen Beziehungsstatus.
Seine erste Verwandlung hatte ihn unvorbereitet an seinem achtzehnten Geburtstag getroffen. Seitdem brachte der Wolf ihm Ärger, inklusive einem Aufenthalt im Knast für versuchten Bankraub. Er war noch immer auf Bewährung draußen, und das nur, weil er in seinem Werwolfwahn den Ferrari des Mafiagangsters Carlo Marchetti zerlegt hatte.
In seiner tierischen Gestalt verlor er die Kontrolle. Wenn er nach drei Nächten unter Schmerzen zurückkam, hatte er einen totalen Blackout. Nackt und umringt von Mafiaschlägern aufzuwachen, war eine Erfahrung, die er nicht zu wiederholen gedachte. Deshalb schloss er sich bei Vollmond ein und unterdrückte den Wolf mithilfe von Wolfskraut. Das funktionierte halbwegs und hatte ihn im Knast vor unangenehmen Fragen bewahrt.
»Du redest nicht viel, oder?«, fragte sie.
Er blieb stehen und sah sie an. Sie sah hinreißend in ihrem Kleid aus. Er räusperte sich, verunsichert darüber, was sie in ihm sah, und blickte verlegen auf seine Füße. Sie hob sein Kinn sanft mit einer Hand an und lächelte.
»Tut mir leid, wenn ich zu viel rede«, sagte sie, »Ich bin ein bisschen aufgeregt.«
»Das ist es nicht. Ich könnte dir die ganze Nacht zuhören«, platzte es aus ihm heraus, »Ich will nur... ich weiß nicht... ach, Mist...«
Er wollte sich abwenden und mehr Abstand zwischen sie bringen. Ihm fehlten die Worte für das, was er ausdrücken wollte. Sie ergriff seine Hand.
»Was ist es dann?« Er seufzte.
»Ich glaub nicht, dass ich der Typ bin, den du gern in mir sehen würdest. Ich bin nicht... nicht...«
Wieder fehlten ihm die Worte. Sie kam noch näher und stellte sich dicht vor ihn. Er schluckte.
»Was würde ich denn gern für einen Typ in dir sehen, deiner Meinung nach?«
»Ach, keine Ahnung. Einen wie Léon oder wie Jean vielleicht. Ich bin nicht so. Das sage ich dir lieber jetzt, bevor du irgendwie enttäuscht bist.«