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B. Waffenlos, doch nicht wehrlos

 

Stone und die Zwerge stürmten die steinerne Treppe ins Tal hinab, die Waffen erhoben, die Herzen voller Wut. Vielleicht war auch ein kleines bisschen Angst dabei.

Das ist es immer, bei jedem, der sich kopfüber in solch ein Getümmel stürzt und weiß, dass es vielleicht das letzte Mal sein wird, dass er das tut. Auch erfahrenen Helden geht es nicht anders, sie sind nur schlau genug, anschließend den Mund darüber zu halten — falls sie noch Gelegenheit haben, für sich selbst zu sprechen.

So erreichten sie das Tal, und der Zorn in ihren Herzen verdrängte die Angst — für den Moment.

Stone wurde zu einer Art Maschine, als er seinen Revolver auf die erste Kreatur richtete. Diese stand breitbeinig über der blutüberstömten Leiche eines Zwergs und schaute sich eilig nach ihrem nächsten Opfer um.

Für Stone war das Ding kein Mensch, auch wenn es zumindest teilweise menschliche Züge besaß. Es war überhaupt kein Lebewesen mehr, nur eine Zielscheibe. Eine Pappente, die im Hintergrund einer Schießbude vor einer Papplandschaft dahinzuckelte.

Der Schuss krachte, der Knall wurde tausendfach von den steilen Berghängen ringsum zurückgeworfen, und das Ding fuhr herum.

Stone hatte es verfehlt.
Die Pappente bekam eine zweite Chance.
Aber nicht mehr.
Stone stürmte vorwärts, ließ sein Schwert herumwirbeln,

im gleichen Moment riss die Kreatur ihres hoch, um Stone anzugreifen. Sie sah Stones Finte nicht einmal kommen. Kraft hast du, schoss es Stone durch den Kopf, aber keine Kampferfahrung.

Er tänzelte zur Seite weg.

Stones Schwert empfing den wuchtigen Schlag des muskelbepackten Kriegers, und ließ ihn wirkungslos an der Klinge abgleiten. In derselben Bewegung brachte Stone den Revolver ein weiteres Mal in Anschlag, spannte den Hahn mit dem Daumen, drückte die Mündung in den weichen Bereich unter der vorgewölbten Hundeschnauze des Dings und drückte ab.

Diesmal verfehlte er es nicht.

Die Kugel riss dem Ding den Großteil der hässlichen Schnauze weg und entfernte Sekundenbruchteile später beinahe die gesamte Schädeldecke, samt einem Großteil des Inhalts. Für einen Augenblick war die Luft erfüllt von Hirnmasse, Blut und Knochensplittern.

Dann waren die Zwerge heran und machten in der gewohnten Weise Kleinholz aus dem zuckenden Körper der

widerwärtigen Kreatur, bevor diese sich erneut aufrappeln konnte, wie ihr Vorgänger es versucht hatte, bevor ihn sein magisches Transportmittel sauber in zwei Hälften geteilt hatte.

Die Zwerge gingen effektiv vor: Mit atemberaubender Geschwindigkeit trennte Bombals Axt Gliedmaßen vom Körper der Kreatur, und zerteilte deren Rumpf in handliche Stücke, die Bombil mit seinem Hammer sogleich eifrig in den Boden stampfte. Blieb zu hoffen, dass diese bessere Wurstfüllung sich nicht auch wieder zusammensetzen würde, und falls doch, dass es entsprechend lange dauern würde, bis das geschehen war.

Stone stürzte weiter.

Ihre Feinde waren nicht zahlreich, aber unter den wehrlosen Templern richteten sie eine Verheerung wie eine ganze Armee an. Es waren ausreichend viele, so viel war klar: Wer immer die Viecher hergeschickt hatte, musste sich des Umstands, dass die Schamanen keine Waffen oder nennens‐ werten Mittel der Verteidigung besaßen, bewusst gewesen sein.

Sie hatten diese bisher nie gebraucht.

Während Stone auf die nächste Kreatur zusteuerte, die ihrerseits einem kleinen Grüppchen Fliehender hinterherjagte, wurde ihm urplötzlich klar, wie die Sache abgelaufen sein musste.

Die drei Späher hatten Krambols Gehilfen gefoltert, bis er ihnen das Geheimnis der Schienenbahn preisgegeben hatte. Vermutlich hatten andere, menschlicher aussehende Spione die eigentliche Vorarbeit geleistet, indem sie sich in den Kneipen und auf dem Marktplatz dezent nach dem zwergischen Widerstand und seinen Mitgliedern erkundigt hatten. Zuverlässig hatten sie Kimbel dabei als das schwächste Glied in der Kette ausgemacht und sich seiner angenommen.

Nachdem die drei Späher ihn gezwungen hatten, sie mit der Schienenbahn durch die Tunnel zu geleiten, waren sie dem einzigen Weg von der Plattform zum Tempel gefolgt, und hatten daher präzise Angaben über seine Lage machen können, die sie auf irgendeine Weise — vielleicht durch eins der grünen Portale, vielleicht durch ein magisches Äquivalent zu einem Telefon — an denjenigen übermittelt hatten, der über sie gebot.

Jener Anführer war offenbar in der Lage, die Portale an jedem Punkt nach Belieben entstehen zu lassen und seine Kreaturen hindurchzuschicken, als beträten sie einen benachbarten Raum durch eine offene Tür.

Allerdings musste er, was ziemlich einleuchtend war, vorher natürlich wissen, wo genau er seine Kreaturen hinzu‐ schicken hatte. Er brauchte eine Art Lotsen oder Leucht‐ turm, schätzte Stone, der ihm die genaue Position seines Ziels verriet.

Sobald das bekannt war, konnte er die Portale nach Belieben an diesem Ort materialisieren und seine furchtein‐ flößenden Kämpfer hindurchschicken.

An jeden beliebigen Ort.

Jemanden, der so etwas konnte, hielt keine Tür, kein Tor und keine noch so stabile Mauer auf. Das war Kriegsführung einer neuen, schrecklichen Art, die Burgen, Schutzwälle und jede Art von Befestigungsanlagen obsolet machte — Fernwaffen sowieso.

Belagerungen? Ein Kinderspiel.

Attentate? Kaum mehr als ein Fingerschnippen, wenn man in der Lage war, einen Assassinen direkt in das Schlaf‐ zimmer der Zielperson zu befördern und diese zu meucheln, ohne dass die Wachen vor der Tür überhaupt Notiz davon nahmen.

Nach getaner Arbeit zogen sich seine Krieger dann einfach auf dieselbe Weise zurück, wie sie aus dem Nichts erschienen waren. Eine Vorstellung, die Stone erschauern ließ.

Doch zunächst gab es naheliegendere Probleme — noch genau sieben an der Zahl —, also konzentrierten Stone und die Zwerge sich zunächst darauf, sowie auf den Versuch, noch möglichst lange am Leben zu bleiben.

Sie rannten gemeinsam zu ihrem nächsten Ziel, Stone schoss, setzte mit dem Schwert nach und die Zwergenbrüder erledigten den Rest. Dann waren’s nur noch sechs.

Indes ging das Gemetzel im restlichen Teil des Tals munter weiter.

Stone und die Zwergenbrüder schossen, hackten und hämmerten sich durch ihre Gegner, in der Hoffnung, dass sie die Angreifer dezimiert haben würden, bevor diese es schaff‐ ten, die Zwergenschamanen bis auf den letzten Mann und die letzte Frau vom Antlitz des Planeten zu tilgen.

Stone war indes sicher, dass dies nicht der einzige Grund war, aus dem die ungebetenen Besucher aufgetaucht waren. Es ging um das Aetherit, keine Frage. Die Schamanen waren lediglich Hindernisse, die ihnen im Weg standen.

Wenn diese beseitigt waren, würde der Abraumtrupp mit den schweren Werkzeugen folgen. Mit Hämmern und Äxten

würden sie das Aetherit aus der Höhle unter der Brauerei reißen.

Wer konnte sagen, was ein Mineral, das eine Hochge‐ schwindigkeitsschienenbahn antreiben konnte, ohne jemals zu ermüden, in der Hand eines Wahnsinnigen anrichten konnte, der beschloss, es zur Herstellung von Waffen zu benutzen?

Ein Wettlauf gegen die Zeit.

Und einer, den sie eigentlich nur verlieren konnten. Spätestens dann, wenn sich weitere Portale öffnen würden. Wie viele würden diesmal herüberkommen? Dutzende? Hunderte? Kleine Trupps statt einzelner Kämpfer? Und würden sie denen auch noch standhalten können?

Stone bezweifelte es.

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